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Der Paraná-Fluss trocknet zusehends aus: Der Wasserspiegel des zweitlängsten südamerikanischen Flusses ist auf den niedrigsten Stand seit 1944 abgesunken, mit Auswirkungen für Millionen von Menschen.
Foto: Sebastián Lopez Brach

Im Rahmen eines weltweiten Notstandes aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels werden auch bei uns immer häufiger Fragen aufgeworfen: Welche Bedeutung hat die Wasserkrise im gigantischen Flusssystem Paraguay – Paraná – Rio de la Plata? Wie ist die Prognose für die kommenden Monate? Welche Zusammenhänge lassen sich mit Entwaldung und Waldbränden herstellen? Wie können wir uns an der Lösung des Problems beteiligen?

Die Fortschritte in Technik, Kommunikation und Produktion sind in unserer modernen Gesellschaft auf einem nie gesehenen Niveau. Vor Kurzem sind zum ersten Mal private Unternehmer ohne die Unterstützung staatlicher Raumfahrtbehörden in den Weltraum gereist. Dagegen, und zur gleichen Zeit, beginnen wir als globale Gesellschaft die Folgen des Klimawandels am eigenen Leib zu spüren, zu erleben, zu erleiden. Verheerende Überschwemmungen betreffen weite Regionen in Europa und Asien, durch die Gletscherschmelze in den Gebirgen droht Wasserverknappung, dazu kommen die Verschmutzung der Ozeane und die massive Tropenwald-Abholzung. So könnten wir noch unzählige Faktoren anführen, die unsere Lebensbedingungen an Grenzsituationen drängen, die uns aber auch dazu auffordern, uns dem Konflikt zu stellen: Wie reagieren wir auf die Auswirkungen der enormen Fortschritte der Menschheit? Diese schon ethische Frage sollte uns zu weiteren Überlegungen anregen: Nach welchen Gesellschaftsmodellen wollen wir in Zukunft leben? Welche Welt wollen wir unseren Kindern hinterlassen?

Paraná: Wird das Niedrigwasser auf die Dauer bleiben?

Gerade hier in Südamerika stehen wir vor einer außergewöhnlichen Situation: das Niedrigwasser des Paraná. Dieser Fluss ist nach dem Amazonas der zweitlängste Fluss Südamerikas. Er fließt aus Brasilien über Paraguay und Argentinien 4.880 Kilometer nach Süden bis zu seiner Mündung in den Río de la Plata. Der Paraná gehört aber auch zu einem noch größeren Gewässersystem, dem Río de la Plata-Becken, das sich zusammen mit den wichtigen großen Flüssen Uruguay und Pilcomayo über Brasilien, Bolivien, Paraguay, Uruguay und Argentinien ausdehnt. Der Paraná ist die wichtigste Ader des Rio de la Plata-Beckens, das dem bevölkerungsdichtesten und industrialisiertesten Gebiet Südamerikas entspricht. Der Strom verbindet die zwei wichtigsten Wirtschaftsräume des Teilkontinents: im Norden den Bundesstaat von Sao Paulo in Brasilien und im Süden die Wasserstraßenachse der Industrieregion Santa Fe – La Plata in Argentinien. Der Fluss ist deshalb von größter strategischer Bedeutung. Sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene spielt der Paraná deshalb eine fundamentale Rolle als Verbindungsweg im Rahmen des Mercosur*. Zählen wir nur die Bevölkerung der direkt zu diesem Becken gehörenden Bundesstaaten und Provinzen der 5 Mitgliedsländer, beträgt diese ca. 101.700 Millionen Menschen. 

*Mercosur ist die abgekürzte Bezeichnung für den „Gemeinsamen Markt Südamerikas“ mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay als Mitgliedstaaten und Bolivien im Prozess der Integration.

30. August 2021: 760 Tage Rückgang

Der Paraná-Fluss leidet unter einer historischen Dürre. Der Wasserspiegel lag seit 1944 nicht mehr so tief. Damals dauerte der Rückgang jedoch nur kurze Zeit. Heute stehen wir vor einem düsteren Panorama, denn für die kommenden Monate werden mangelnde Niederschläge angesagt und es wird erwartet, dass der Abwärtstrend weiter andauert und sogar, dass sich die Situation verschlimmert. Am 30. August erreichte der ununterbrochene Rückgang des Wasserspiegels einen Rekord von 760 Tagen.


Foto: Sebastián Lopez Brach

Bis September ist Regenmangel in der Region angesagt, es gibt jedoch einige Zeichen, die darauf hindeuten, dass sich im November oder Dezember wieder „La Niña” zeigen wird, sodass die seit zwei Jahren lang bestehende Dürre höchstwahrscheinlich während des Sommers weiter anhalten wird. Dazu ist zu bemerken, dass sich die globale Erwärmung auch auf diese Wettererscheinungen auswirkt: Die Wechselfolge zwischen „El Niño” und „La Niña”** ist nicht mehr zu erkennen und das hat auch einen negativen Einfluss auf die Tierwelt. Im oder am Wasser lebende Tiere sehen ihren Lebensraum reduziert und damit ist auch ihre Fortpflanzung gefährdet. 

**„El Niño” und „La Niña” sind immer wiederkehrende Klimaanomalien, die das Wetter vor allem im äquatorialen Bereich des Pazifiks prägen. Folgen treten hauptsächlich in den angrenzenden Regionen auf, in Südamerika im Osten und in Australien sowie Indonesien im Westen.

Den Fokus richtig setzen: Das eigentliche Problem ist die Abholzung!

Das Wasser hat seinen eigenen Kreislauf und der ist in Südamerika unumkehrbar beschädigt worden. Die Dynamik und das Fortbestehen dieses Kreislaufs stehen im direkten Zusammenhang mit den Gewässern und den urwüchsigen Wäldern ihrer Umwelt. Der Paraná ist Teil eines Systems, das durch Abholzung, Agrargeschäft und Regierungspolitik schwer beschädigt wird.

Das Problem der Entwaldung ist nicht neu; seit Anfang des 21. Jahrhunderts hat jedoch die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche in diesem Teil der Welt in eine über 54 Millionen Hektar große „grüne Wüste” verwandelt, in der in der Regel gentechnisch veränderte Lebensmittel produziert werden und wo jedes Mittel dazu dient, das anhaltende Wachsen der „Vereinigten Sojarepublik“ — so bezeichnete ein großes multinationale Konzern die Region — zu unterstützen. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat berichtet, dass zwischen 2010 und 2020 Südamerika einen Nettoverlust von 2.6 Millionen Hektar Wald erlitt.

Auf der Ebene des Wettbewerbs der verschiedenen wirtschaftlichten Aktivitäten hat die Ausbreitung der Monokulturen die Viehzucht in der Region verdrängt und dieses Geschäft erheblich verändert. Ein Teil des ursprünglichen Weidelands wurde in Ackerflächen verwandelt und die Viehzucht verlagerte sich auf weniger geeignete und ökologisch fragilere Regionen wie Feuchtgebiete und abgeholzte Urwaldflächen, oder auf Wohngebiete der indigenen Bevölkerung, was gravierende soziale, kulturelle und wirtschaftliche Folgen für diese hat. So sind nicht nur direkt die Wälder und Urwälder betroffen: Die Ausweitung des Agrargeschäfts betrifft indirekt die Eigentümlichkeit anderer Bioregionen durch die Verlagerung der wirtschaftlichen Aktivitäten. Als Folge ist das Risiko von Überschwemmungen erheblich höher geworden, weil die Funktion als Wasserspeicher der Äcker viel geringer ist als die der Wälder und auch des natürlichen Weidelands.

Der Klimawandel und der Raubbau der Menschen bringen einen seltsamen Widerspruch hervor: Das Überschwemmungsrisiko steigt an in den gleichen Regionen, in denen mächtige Flüsse nach und nach austrocknen.

Unsere Aktionen

Angesichts dieser extremen Situation vertreten wir in unserer evangelischen Stiftung „Hora de Obrar“ die Meinung, dass unbedingt Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen werden müssen, um Gegenwart und Zukunft zu bewältigen. Wir führen Aufforstungsprojekte in den oben beschriebenen Gebieten durch und haben vor, in zwei Jahren den jetzt bestehenden Wald mit 180.000 einheimischen Bäumen zu bereichern; das entspricht einer Fläche von 300 Hektar. Damit leisten wir unseren Beitrag zur Rückgewinnung der Wasserversorgung, zum Schutz des einheimischen Waldes, der Bachufer und Quellen umsäumt, zur Erhaltung der Biodiversität und nicht zuletzt zur nachhaltigen Landwirtschaft und dem Lebensunterhalt der Bevölkerung der Region. 

Einerseits stärken wir unsere Beziehungen zu Netzwerken und Organisationen, die wie wir auch Aktionen zur Eindämmung und zur Vorbeugung der oben beschriebenen Schäden ergreifen, andererseits wollen wir auch direkt handeln. In diesem Sinne soll der Name der Stiftung unser Vorhaben erläutern. „Hora de Obrar“ bedeutet wörtlich: Es ist Zeit zu handeln!

65.000 Bäume haben wir schon gepflanzt! Wir haben vor, unserem Projekt „Crece Selva Misionera“ dieses Jahr einen neuen Impuls zu verleihen und bis zum Ende 2021 100.000 Bäume gepflanzt zu haben.

Dazu brauchen wir Ihre wertvolle Unterstützung. Sind sie dazu bereit und wollen mit uns an der Lösung teilnehmen, dann melden Sie sich bei Guido Forsthuber unter desarrollo@horadeobrar.org.ar.

Autoren:  Nahuel Gravano, Romario Dohmann und Guido Forsthuber

Übersetzung: Monica Lago

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